Weil, Gustav - Orientalist

Zur Person
NachnameWeil
VornameGustav - Orientalist
Weitere geführte Namen
Geboren25.04.1808 Sulzburg
Gestorben29.08.1889 Freiburg
ElternGötsch Eliakum Weil und Babette Wiedersheimer
Verheiratet mit1.: Auguste Levy (gest. 1851)
2.: Sophie Levy (Schwester von Auguste)
Kinder
Wohnort(e) Sulzburg, Hauptstraße 71
Metz, Paris, Heidelberg,Tübingen, Kairo, Freiburg
Beruf
Professor für Orientalistik
Funktion
Weitere Informationen

Seine wichtigsten Schriften:

  • Mohamed der Prophet, 4 Bände, Stuttgart 1837
  • „Tausendundeine Nacht“, Übersetzung aus dem Urtext  in 4 Bänden, 1837-1841 bzw. 1865
  • Historisch-kritische Einleitung in den Koran, 2 Bände, Bielefeld 1844
  • Geschichte der Chalifen, 3 bzw. 5 Bände, 1846-51 bzw. 1860/62

Literatur:

  • Heidenreich, Wolfgang: Weißer Kieselstein - schwarzer Obelisk. In Manfred Bosch (Hg.) Allemannisches Judentum. Eggingen 2001.

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  • Heide Langguth, 2014:

Gustav Weil und die Märchen aus 1001 Nacht

(1808 - 1889)

Vor 125 Jahren starb in Freiburg /Breisgau hochgeehrt ein Professor der Orientalistik. Er hieß Gustav Weil. Heute ist er weitgehend in Vergessenheit geraten. Und doch hat er uns ein Werk hinterlassen, das noch gerne gelesen wird. „Die Erzählungen aus 1001 Nacht“ wurden erstmals von Gustav Weil aus dem Originaltext vollständig ins Deutsche übertragen, erregten zunächst ihrer freizügigen Ausdrucksweise wegen Anstoß und erscheinen seit 1864 ungekürzt und unzensiert, im übrigen als Nachdruck der illustrierten Erstausgabe bis heute.

In einem kleinen Städtchen am Rande des Schwarzwaldes, in Sulzburg, wurde Gustav Weil am 25. April 1808 als Sohn des jüdischen Gemeindevorstehers geboren. Der aufgeweckte Junge wurde  mit 12 Jahren zu seinem Großvater mütterlicherseits nach Metz geschickt, der dort Rabbiner war, um in dessen Fußstapfen zu treten. Offenbar schien Weil diese Perspektive nicht zu gefallen, denn als er 1828 in Heidelberg ein Studium der Theologie und Philologie beginnt, läßt er ersteres bald fallen, um sich ganz dem Studium der orientalischen Sprachen widmen zu können. „Um eine höhere Weihe zu empfangen“, verläßt er Heidelberg, geht nach Paris und studiert bei Silvestre de Sacy. dem berühmten Professor für Orientalistik

Gustav Weil ist erst 22 Jahre alt, als er 1830 mit der „französischen Expeditionsarmee“ (Fremdenlegion) nach Algier und von dort aus weiter nach Kairo fährt, „um in unmittelbarer Anschauung den Geist des Orientalismus kennen und ergründen zu lernen“. Der Verleger Cotta hatte ihn mit einem kleinen  Stipendium ausgestattet und erwartete dafür Berichte aus Ägypten und der Türkei für sein „Morgenblatt für gebildete Stände.“ Und so erscheinen in unregelmäßiger Folge in den Jahren 1831 – 35 die Berichte Weils aus dem Osmanischen Reich, das sich damals unter Sultan Mahmud II. vorsichtig im Innern orientiert an westlichen Standards reformierte, außenpolitisch aber weiter an Bedeutung verlor..

Schnell fand sich Weil in die neue fremde Welt ein: „Eines meiner ersten Geschäfte in Kahira (Kairo) war, für ein orientalisches Kostüm zu sorgen,...da man .. den Arabern mehr Vertrauen einflößt, wenn man ihre Manieren annimmt..übrigens schien mir die weite Kleidung auch bequemer als die unsrige“. Dank einiger Empfehlungen wird Gustav Weil in arabische, türkische, französische Familien der Oberschicht eingeladen und beobachtet aufmerksam die unterschiedlichen Sitten und Gebräuche. Und er ist ein junger Mann, Anfang 20, als er entdeckt: „überhaupt findet man in Kahira unter den Türken sehr viele Mädchen, die unsre Europäerinnen ..an Schönheit weit übertreffen. Besonders reizend sind ihre feinen Züge und ihre herrlichen klaren schwarzen Augen. Auch ihre langen Haare tragen nicht wenig dazu bei, ihnen ein höchst interessantes Aussehen zu geben. Diese hängen in unzähligen, mit Goldflittern durchflochtenen Tressen über den Nacken hinunter.“

Weil macht auf seinen Reisen in Ägypten die Bekanntschaft sehr unterschiedlicher Menschen, darunter europäische Ingenieure, arabische Scheichs und Gelehrte, Beduinen, türkische Politiker, aber auch die vieler einfacher Leute. In seinen Berichten, die bar jeder romantischer Verklärung sind, erfahren wir viel über die Lebenssituation, die große Armut und Unwissenheit der meisten Ägypter. Er gibt uns einen Überblick über die Zusammensetzung der damaligen Bevölkerung in Kairo, d.h. die Araber und Türken, die Juden, die Christen, wobei er mit zum Teil harschen Urteilen nicht hinterm Berg hält. Durch Französischunterricht an der Medizinischen Schule von Abu Sabel verdient er sich zusätzlich Geld und  lernt die „drei Hauptsprachen der Muselmänner“, nämlich Arabisch, Türkisch und Persisch. Anschaulich schildert er die Annehmlichkeiten eines orientalischen Bades, die Gastfreundlichkeit, die er bei Beduinen genoß, die jährliche Öffnung des Nilkanals, die mit einer großen Puppe als Dankopfer und viel Feuerwerk gefeiert wird, den Ritt auf einem Dromedar, vorbei an Mädchen, die zur Erfrischung Wasser aus Krügen anbieten, aber auch die Reisenden bitten, „mit ihnen im Dattelwald auszuruhen“. Die Pyramiden bei Gizeh oder die Ruinen von Heliopolis beeindrucken ihn allerdings weniger als erwartet.

Im Juli 1832 reist Gustav Weil auf einem österreichischen Schiff, vorbei an Rhodos nach Konstantinopel. Zuvor räsoniert er noch über die politischen Ergebnisse der Seeschlacht bei Navarino (1827), die das Osmanische Reich verlor und die letztlich den Verlust Griechenlands zur Folge hatte.

Von der Schönheit der Stadt Konstantinopel ist Weil zunächst überwältigt, der sich beim ersten Anblick „träumend in einem irdischen Paradiese“ wähnte. Doch bald macht sich Ernüchterung breit, denn in der Stadt wütet die Pest. Mit einer eisernen Zange werden ihm die Briefe abgenommen und er wird in einem Kasten durchräuchert, bevor er ein Haus betreten darf. Durch den preußischen Gesandten hat er sofort Zugang zu den wichtigen Familien der Stadt, ja, er lernt sogar einen der wichtigsten Männer im Osmanischen Reich kennen, den Wesir (Minister) Ahmed Pascha kennen, mit dem er sich ausgiebig über arabische Literatur unterhält. Der Wesir, der Gefallen an dem jungen Mann findet, lädt ihn mehrfach zu großen Festen ein und stellt ihn allerlei Persönlichkeiten vor. Er fragt ihn aber auch intensiv über Mehmet Ali aus, den damaligen osmanischen Statthalter in Ägypten, der dort eigene, usurpatorische Ziele verfolgt.

Nach seiner Rückkehr promoviert Weil im Juni 1836 an der Universität in Tübingen, im September erhält er die Stelle eines Universitätsbibliothekars in Heidelberg und im Dezember desselben Jahres habilitiert er sich an der dortigen Philosophischen Fakultät. Von da an erscheint ein Werk nach dem anderen: 1837 „Die poetische Literatur der Araber“, im gleichen Jahr noch vier Bände „Mohamed der Prophet“, 1837-41 die Übersetzung von „Tausendundeiner Nacht“, 1844 eine historisch-kritische Einleitung in den Koran,  ab 1846 die mehrbändige „Geschichte der Chalifen“.

Kurzum, Gustav Weil entwickelt sich zu einem der führenden Orientalisten seiner Zeit. Der berufliche Aufstieg hält damit jedoch nicht Schritt. Es dauert noch viele Jahre, bis er einen ordentlichen Lehrstuhl erhält. Gustav Weil ist Jude und Juden werden in dieser Zeit weder im Großherzogtum Baden noch anderswo im Deutschen Bund zu ordentlichen Professoren berufen, es sei denn, sie konvertieren zum christlichen Glauben. Freilich wird er 1843 zum außerordentlichen Professor ernannt, was konkret bedeutet, daß er Vorlesungen und Seminare abhalten darf  - ohne Bezahlung!

Weil, der inzwischen verheiratet ist und Vater mehrerer Kinder, schreibt immer wieder an das Akademische Direktorium, an das „hohe Ministerium des Innern“ in Karlsruhe und bittet um Gehaltserhöhungen, die ab und zu in bescheidenem Maße gewährt werden, nicht aber seine Gesuche um die Ernennung zum ordentlichen Professor.  Jedes Mal setzt sich nach einem solchen Antrag von Weil ein Karussell an Stellungnahmen von unten nach oben und zurück (Bibliotheksdirektor, Fakultät, Senat bis hin zum Innenministerium) in Bewegung, meist wort- und seitenreich, in schwungvollen Schriften, beglaubigt und bestempelt, aber „..durch die Natur der Sache, die gebotene Ausschließung eines israelitischen Professors“ kommt Weil lange nicht ans Ziel.

Er kränkelt, hat asthmatische Anfälle, reist in Kuren, drei seiner Kinder sterben, wenig später seine Frau. Irgendwann hat Weil genug und stellt 1859/60 verbittert seine Vorlesungen ein. Auf  einmal werden  die Beamten, Kollegen hellhörig, auch der Großherzog, der Weil seit Jahren kennt. Er setzt durch, daß Weil endlich eine ordentliche Professur erhält – ein Jahr vor der offiziellen bürgerlichen Gleichstellung der Juden im Großherzogtum Baden. Mit 53 Jahren ist Weil nun ordentlicher Professor für orientalische Sprachen an der Universität Heidelberg und wird von da an mit Auszeichnungen und Ehrungen überhäuft.

Am 29. August 1889 stirbt Gustav Weil mit 81 Jahren in Freiburg/Breisgau an asthmatischen Anfällen und wird auf dem dortigen jüdischen Friedhof beerdigt.

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Alle Zitate aus dem „Morgenblatt für gebildete Stände“ (1831 – 35) bzw. aus der Personalakte Gustav Weil der Universität Heidelberg bzw. Universität Tübingen

Nicht klären ließ sich bislang, ob und wo es noch Nachkommen von Gustav Weil gibt.

 

Datenquelle
StAF, I
Quellenverzeichnis

Letzte Änderung: 17. November 2014